“Learn to trust the journey even if you don’t understand it.”

Wenn ich mir die Karte der USA so anschaue und sehe, wie viele Orte ich schon gesehen habe (rot) und wie viel ich noch erleben werde (grün), muss ich zugeben, dass ich selber ein bisschen geschockt bin. Das ist echt verrückt!

Tag 220 in den USA. Noch 138 Tage verbleiben, bis ich wieder im Flieger nach Hause sitze. Und statt eines von mir typischen Reiseberichts, möchte ich ein wenig über mein Leben hier in Kalifornien berichten.
Ich lebe in Valencia, Südkalifornien. 30 Minuten weit weg von Hollywood, 40 Minuten von Santa Monica oder Malibu, also im Großraum von Los Angeles. Valencia ist umgeben von riesigen Bergen, Seen, Wüstenlandschaft und dem Pazifik. Die Stadt selbst besteht eigentlich nur aus riesigen Shoppingmalls und den berühmten Six Flags Vergnügungspark Magic Mountain.
Neben dem Park befindet sich meine Arbeitsstelle bei American Ring Travel, einer Tourismusagentur, die mit europäischen Veranstaltern zusammenarbeitet.
Dort absolviere ich bis Ende Juni ein Praktikum im Bereich Reservations. Die Arbeit gefällt mir an sich sehr gut. Ich darf kommen und gehen wann ich will, solange ich meine 8 Stunden am Tag arbeite. Da wir keinen Kundenkontakt haben, ist es egal, wie wir uns anziehen. Meine Chefin kommt jeden Tag im Jogginganzug mit Sandalen zur Arbeit. Am Arbeitsplatz selbst dürfen wir Musik hören oder wie ich Hörbucher, solange wir unser Pensum schaffen. Jede Woche gibt es mit allen Mitarbeitern besondere Veranstaltungen wie: Cakeday, St. Patricks Day, Donutday, Bowlen, Valentines Day,…alles wird gefeiert und mit einem riesen Haufen Essen und Soda begossen. Schon lustig. Ich denke immer, dass man so die Mitarbeiter bei Laune halten will und von der Tatsache ablenkt, dass man im Jahr nur 5-10 Tage Urlaub hat.

Mein Privatleben besteht momentan daraus, nach der Arbeit mit Arbeitskollegen ins Kino oder Essen zu gehen. Oder ins Fitnessstudio. Mein Gym hat ein paar crazy Sachen wie ein Kino, in dem man sich neue Filme anschaut, während man sich auf dem Laufband einen Wolf rennt. Oder einen Außenpool in den man tatsächlich schon Anfang Januar, dank der kalifornischen Temperaturen (28-30 Grad täglich), rein kann. Wenn man abends schwimmen geht, kann man die Sterne beobachten und die Flieger, die vom Los Angeles Airport in alle Welt fliegen. Schon cool!

Ich lebe bei meiner Hostmum, Mel, die mir versucht das kalifornische Leben so schön wie möglich zu machen. Auch wenn sie oft merkt, dass ich meine Sutfins aus Illinois doch sehr vermisse. Das Leben dort war einfach so schön einfach. Aber Kalifornien ist eine Challenge. Ich genieße die Vorzüge eine Putzfrau und einen Gärtner zu haben. Und ich lebe zu einer unverschämt günstigen Miete hier. Das nette Praktikantengehalt, welches um Längen höher ist als mein Festgehalt in Deutschland (Frechheit!!!), ermöglicht es mir, viele Ausflüge zu unternehmen und Reisen zu planen.

Ich durfte auch schon in den Genuss der Anonymität der Stadt kommen. Während ich in Illinois auf dem College sehr viele Freunde hatte und ständig Menschen um mich herum, komme ich mir in Kalifornien doch manchmal wie ein Einsiedler vor. Ich habe mich oft gefragt, wie man Leute kennen lernen soll, wenn man von morgens bis abends auf der Arbeit sitzt. Ich habe dann ziemlich schnell angefangen “gut gemeinte” Ratschläge von Freunden anzunehmen: “Geh ins Fitnessstudio, da lernt man immer Leute kennen.” Nach 2,5 Monaten weiß ich, dass hier in Kalifornien jeder ins Fitnessstudio geht, um Size 0 zu unterbieten, aufzufallen, komplett durchzudrehen, aber sicher nicht um Leute kennenzulernen.
Ein anderer Ratschlag war einfach in die Mall zu gehen und “sich unters Volk zu mischen”. Das endete damit, dass ich mit meinem Starbucks Becher in der Hand, im Massagestuhl sitzend, die 1000 Pärchen beobachtet habe und die 15 jährigen Girlies, die hier noch abgefuckter aussehen als in Deutschland (ich dachte nicht, dass das möglich wäre). Der beste Ratschlag war allerdings, mich bei einer “Datingwebsite anzumelden”. Nachdem ich das getan habe, durfte ich feststellen, dass hier in meiner Nachbarschaft eine Menge kranker, widerlicher und sexuell unbefriedigter Leute wohnen.
Nach diesen Erfahrungen lernt man doch irgendwann, seine eigene Gesellschaft zu schätzen. Natürlich nehme ich jedes Angebot an, mit Mels Familie die Wochenenden zu verbringen. Ich versuche auch viel mit Arbeitskollegen, PPPlern und Bekannten zu machen und zu Reisen. Dennoch gibt es das ein oder andere Wochenende, wo man tatsächlich lernen muss, alleine zu sein. Und ich glaube, dass klingt leichter als gedacht. In Deutschland fährt man zur nächsten Freundin, zur Familie oder oder oder. Ich habe nie wirklich viel Zeit gehabt, Langeweile an Wochenenden zu haben, bedingt durch Ausbildung und Zweitjob, Freunden und Familie. Aber das ist ja das Schöne an dem Auslandsjahr, dass man sich neuen Aufgaben stellt und seine Komfortzone das ein oder andere Mal verlässt.
Morgen z.B. fahre ich mit einen Buch an den Strand. Alleine. Klingt nach einem Luxusproblem: 32 Grad, Strand, Meer und ein Buch. Für mich jedoch gerade noch eine totale Horrorvorstellung. Aber ich werde mich mal überraschen lassen. 🙂

So das war’s jetzt erstmal wieder von mir. Ich denke dieser Eintrag ist wichtig um zu zeigen, dass sich neben den ganzen unvergesslichen und geilen Erfahrungen und Reisen, doch noch das “normale” Leben abspielt – mit den Wehwehchen und den Problemen einer 23-jährigen im Ausland.

Ich genieße es trotzdem hier zu sein und lebe nach wie vor meinen absoluten Traum. Dieses Jahr ist unbeschreiblich. Man lernt so viel über andere Menschen, sieht so viele neue Orte und hat so viel Spaß daran, Neues kennen zu lernen. Aber das Schönste, was man mit nach Hause nimmt, ist das Wissen über sich selbst und die Gewissheit, dass eine tolle Familie und super Freunde auf einen dort warten.